Wie jede Leidenschaft birgt auch das Schachspielen Risiken. Einige der ganz großen Schachgenies haben sich in der virtuellen Welt der Könige, Damen, Türme, Springer, Läufer und Bauern so sehr verloren, dass sie darüber verrückt oder depressiv geworden sind. Besonders die Praxis des sogenannten Blindschachs steht im Verdacht, das menschliche Gehirn schlichtweg zu überfordern. Als Blindschach wird das Austragen einer Partie ohne Brett und Figuren bezeichnet. Deren Konstellationen existieren dann nur im Kopf der beiden Spieler und die Züge teilen sich die Spieler über die Koordinaten der 64 Felder verbal mit. E2 nach E4 wäre da etwa ein klassischer Eröffnungszug für Weiß. Blindschach ist also gleichsam Schach pur – ohne jede Verdinglichung der abstrakten Spielstellung und die damit verbundenen Kraftfelder. Es gibt Genies, die einige Dutzend Blindschachspiele simultan spielen können. In der Sowjetunion wurde diese Form des Schachs verboten, weil es offenbar der Psyche von zu vielen jungen Menschen geschadet hatte. Doch auch für den Spieler, der mit schön geschnitzten Holzfiguren spielt, sind diese nur Abstraktionen. Kein Schachspieler hat den geringsten Skrupel, einen Bauern zu opfern, wenn dies für ihn Vorteile verspricht. Damenopfer sind hingegen in der Praxis des Schachspiels außerordentlich selten. Gemeinsam mit dem amerikanischen Wissenschaftler und Aphoristiker Ashleigh Brilliant schuf der Autor die folgenden Zeilen: "Nur in der Welt des Schachs mag es weise sein, eine geliebte Königin zu opfern, um eines eigen Königs willen."

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Martin